Donnerstag, 21. August 2008

Montanita

Eine Terrorstechmücke und ein Gockel verkürzen mir die Nacht. Beim Auschecken aus dem Itapoa steht die Rezeptions-Senora vor dem Problem, dass sie nicht dafür Sorge getragen hat, mich ordnungsgemäß zu registrieren. Wäre ich kein ehrlicher Mensch, hätte ich glatt den halben Betrag der Rechnung sparen können.

45 Minuten Busfahrt sollen mich ins Hippiedorf Montanita bringen. Es fahren allerdings nur Einheimische mit. Und die sehen nach vielem aus, aber nicht nach Hippiebewegung
. Wo hinter Porto Lopez zum ersten mal wieder Meer zu sehen ist, steht ein Bauwerk aus Sandstein, das Friedensreich Hundertwasser gebaut haben könnte, würden nicht die Farben fehlen.

Nach einer guten Stunde lasse ich die Hotels im kondensierten Zentrum Montanitas hinter mir, gehe einmal um die Ecke, ein St
ück den Strand lang und buche mich im "Hostel las Palmeras" zehn Meter vom Meer entfernt ein.

Ich setze mich in eines der mehrst
öckigen Bambuslokale, bei denen aus jeder Ebene trockenes Schilf herunterhängt, und prüfe die Lage. Ein Heranwachsender trägt, dem milden Klima angepasst, die Hosen auf Halbmast. Dafür hat er eine Wollmütze über den Kopf gezogen. Bei Anderen ergeben die Haare selbst eine Solche. Kleingastrounternehmer stellen auf ehemals azurrblaunen Schubkarren mit bunten Sonnenschirmen Salate zusammen. Ihre Würzsoßen hätte man andernorts nach Augenschein weggeworfen. Einer schlägt eine große Muschel an einem durchschnittlich schmutzigen Pflasterstein auf und füllt ihr Fleisch in eine Schüssel. Fliegen zeigen Interesse. Gegenüber lassen Jungs mit nabelfreien Shirts ihre Filzlocken neu eindrehen. Ein Vierzigjähriger ohne Oberbekleidung schlendert mit einem Vierzehnjährigen im Arm die Straße herunter. Gutgewachsene Mädels mit großen Sonnengläsern tragen frischwerworbenen Kunstschmuck spazieren. Ein Herr mit Adlernase hält eine Hängematte hoch. Wenn er "Taxi" rufen würde, würde es mich nicht wundern. Das Ganze findet auf einem Viertelquadratkilometer statt.

Nachmittags
sehe ich einem Wahl-Jamaikaner beim Flechten von Stirnbändern zu. Die Zeit wird ihm durch die minütlich vorbeikommenden Bekannten weiblicher Herkunft verkürzt, die es ausgiebig zu begrüßen gilt. Interessanterweise ist nicht immer auszumachen, wie lange die Leute hier schon hängengeblieben sind. Die Ausnahme bilden gealterte Jugendliche, die einen Surfladen, ein Hostel oder eine Kleiderstange betreiben. Einer sieht aus wie ein von der Karibik gestreifter Claude-Oliver Rudolph. Soundtechnisch tut man in Montanita so, als habe das Genre Reggae/Dub nichts Gescheiteteres hervorgebracht als Bob Marley. Hier kann man Surfen, Spanisch, tibetanische Massage und Zen lernen.

Mein Magen-Darm-Trakt hat drei Wochen lang wie der eines Schweines alles, was ich ihm zugemutet habe, anstandslos verdaut. Nun zeigt auch er kleine
Schwächen, was vermutlich mit dem Eis unbekannter Herkunft in den Fruchtsäften zu tun hat. Ich kuriere ihn mit kleinen Schlücken Cola.

Beim Abendessen posieren hintereinander alle Wildhunde Montanitas neben meinem Tisch. Einer legt sogar beharrlich seine Schnauze auf meine Schenkel und schaut mich treuherzig an. Irgendwie sind abends viel weniger Leute unterwegs als tags
über. Die Bars überbieten sich in sinnloser Lautstärke. Auch Kräuterkuren riecht man höchstens verstohlen aus Hinterhöfen. Am interessantesten ist noch ein Zwist zwischen den Straßenkötern.