Montag, 1. September 2008

En Banos

Daniel antwortet mir auf mein Ansinnen, ihn zu treffen, ich sei jederzeit in bei ihm willkommen. Nur könnten wir uns im Moment nicht sehen, da er gerade außerhalb des Landes weile. Hm. Ich treffe Barbara und Ingo wieder, das nette Paar aus München. Ihnen geht es hier zu Mallorca-artig zu. Sie leihen sich Räder aus, um bergab nach Puyo Richtung Dschungel zu radeln. Das Gepäck wird für sie hingebracht, die Räder gehen später den umgekehrten Weg. Sie empfehlen mir das "Casa Hood" zum Frühstücken. Es ist sehr gemütlich und angemessen schnoddrig. Dort lerne ich einen zurückgelehnten Herren aus Kalifornien kennen. Wir unterhalten uns über Biertraditionen im Vergleich Bayern vs. USA. Er erzählt mir, dass die US-Budweiser-Brauerei gerade von einem belgischen Großbrauer aufgekauft worden ist. Bleibt zu hoffen, dass die Belgier die Rezeptur dem tschechischen Original angleichen.

Die "Basilica de Nuestra Senora del Agua Santa" heißt so, weil einst die heilige Jungfrau das Lava-Mineral-Wasser vom Stadtvulkan Tungurahua in Weihwasser verwandelt haben soll. Gerade ist Messe, die Menschen beten dem orangerot-goldenen Altarhintergrund entgegen. Riesige Gemälde dokumentieren Mariens Wundertaten, und eine wunderschöne Frauenstimme intoniert ein schönes, sehnsüchtiges Lied, das jedoch ziemlich an "El Condor Pasa" erinnert. Das angegliederte "Museo Fray Enrique Miderus" bietet eine reichhaltige Kuriositätensammlung: bunte Marmortafeln mit Marienwundern, kindlich gemalte Heiligenbilder, rosa Hochzeitspuppen im Barbie-Stil, simplifizierte Inkakunst-Nachempfindungen, bestickte Kleider in hanebüchenen Farbzusammenstellungen, eine Jesusfigur, der die Hände abgehackt sind, eine Porzellan-Omi mit Strickzeug und die komplette Fauna Ecuadors in ausgestopfter Form.

Ich probiere "Alfenique", Konfektriegel, aus dicken Schnüren gewonnen, die tagelang neben der Auslage abhängen, ehe sie die richtige Konsistenz haben. Dabei wird die gummiartige Masse gedehnt, gedreht und mit Schmackes gegen durchschnittlich schmutzige Hauswände geschlagen.

Mittags ist es dann soweit. Eigentlich wollte ich gestern schon Cuy probiert haben, aber alle Grillmeerschweinchenbuden hatten abends geschlossen. Doch nun muss das possierliche Tierchen dran glauben. Ich betrete ein wohnzimmergro
ßes Lokal, vor dem sich bereits gar aussehende Exemplare um den Spieß drehen. Die freundliche Wirtin plaziert mich an einen Plastiktisch, wo sich schon eine Familie die Spezialität schmecken lässt. Das Schweinemärchen wird serviert mit Kartoffeln und Reis. Die goldgelbe Hautkruste des halben Tiers auf meinem Teller erinnert an Ente. Kopf, Augen und Gebiss sind gut zu erkennen. Am Mittelstück hängt noch eine Kralle dran. Das ganze für hier dekadente $7. Man isst mit den Händen, denn als Besteck ist nur ein Löffel vorgesehen. Geschmacklich ist die Delikatesse irgendwo zwischen Spanferkel und Kaninchen angesiedelt. Hervorragend.

Nachmittags möchte ich eigentlich bergsteigen, aber es sind mal wieder zuviele Wolken unterwegs. So ziehe ich die Wellness vor. Die "Piscinas de la Virgen", die Jungfrauenthermen, liegen unterhalb eines 200m hohen Wasserfalls. Indianisch aussehende Menschen mit bunten Traditionsumhängen und dunklen Hüten warten vor Umkleideboxen. Auch hier bin ich der einzige Gringo. Für $2 Eintritt am Wochenende ($1 unter der Woche) nimmt man sich eine Plastikkiste für Kleidung und Habseligkeiten. Dass man diese wegschließt, ist allerdings nicht vorgesehen. Vor den Umkleiden geht rein gar nichts voran, und in den Thermalbecken tummeln sich fünfmal soviele Leute wie drin sein dürften, damit die Sache etwas mit Erholung zu tun hätte. Daher gehe ich dann doch in ein gepflegtes Hotel.

Wieder Plastikk
örbe, die man hier allerdings wegschließen kann. Doch einige der dafür vorgesehenen Holzklappen sind so ausgeleiert, dass sie sich nicht absperren lassen. Wieder nur Einheimische. Dafür gibt es Grapefruchtsaft gratis. Bei der Gelegenheit muss ich mal erwähnen, dass man in Ecuador überall fantastischen Saft aller erdenklichen Früchte bekommt. Der Bademeister erklärt mir, dass in ecuadorianischen Saunas die Badebekleidung anbleibt. Andererseits legt man hier kein Handtuch unter. Die Saunabänke sind selbstzusammengenagelte Bretter, beim Draufsetzen bewegen sie sich vorwärts. Mit 68 Grad ist die Sauna wohltempiert -- wie das Eisbecken, das von den Ecuadorianern ignoriert wird. Dafür sitzen diese stundenlang im Thermalwasser. Seine Wirkung besteht allein in schrumpelnder Haut. Vielleicht muss man an die Sache mit Maria glauben, damit sich mehr tut.

Im "Cafe" (nicht "Casa") "Hood", läuft abends abgezockter Dub, der indische Elefantengott Ganesha bedeckt eine ganze Wand, und ich esse eine "Ecuadorplatte": gebackene panierte Kartoffelpuffer, Spiegelei, Mais, Avokadosalat und Blaukraut, das nach Zitronengras schmeckt. Am besten ist die gazpacho-artige, scharfe Würzpaste. Dazu spielt eine neue Panflöten-Combo. Nach einem Instrumentalstück und einem kolumbianischen Lied bedanken sich die vier fünfsprachig für den sachlichen Applaus; in ebensovielen Sprachen können sie das Wort "Trinkgeld". Lustig ist die finale Inka-Interpretation von "Lambada".

Die Partystraße "Eloy Alfaro" ist sonntags wie ausgestorben. In der Bar "Mocambo" probiere ich den in dieser Gegend gebrannten Zuckerrohrschnapps mit dem schönen Namen "Necta". Er schmeckt weniger nach Honig als nach Schnapps. Rafals Engel, im Original in den Alten Meistern in Dresden zu sehen, rauchen hier an der Wand eine Fluppe. Als Schlummertrunk nehme ich einen "Volcano" -- einen Cocktail im Schnappsglas aus "Licor de cana" (Schilflikör), Minze und Grenadina. Das oben grüne und unten rote Getränk wird flambiert, brennt zwanzig Minuten lang, bis ein guter Teil verbrannt ist. Und schmeckt wie aufgewärmte Lava.

Heilige Familie.


Voila: Gegrilltes Meerschweinchen (cuy, hervorragend!)


En Banos II

Wäschewaschen auch Dschungeltouren angeboten. Später fällt mir ein, worin die Synergie besteht. Ich habe eine Tüte Schmutzwäsche sowie eine selbstgewaschener Sachen, die nicht trocknen wollen. Nachdem ich den beiden netten Waschdamen mein Anliegen fünfmal vorgetragen habe, kommen wir ins Geschäft.

Mit dem Spanischen ist`s überhaupt so eine Sache: Es gelingt mir durchaus, mit Hilfe meines Lexikonwürfels Fragen zu stellen, allein ich verstehe die Antworten nicht. An dieser Stelle muss ich aber mal die Ecuadorianer loben: Sie sind nett, hilfsbereit und vor allem unaufdringlich. Obsolete Dienstleistungsangebote wie Schuhputzen halten sich in Grenzen.

Von Banos (1800m) mache ich mich auf, den Hügel "Las Antenas" (geschätzt 2600m) hinaufzugehen -- laut Reiseführer der ideale Ausgangspunkt, um den Hausvulkan Tungurahua (5023 m) zu sehen. 1999 musste Banos evakuiert werden, als der Tungurahua Asche warf. In der Folge bewachten Soldaten die Stadt, und weil ihnen die Zeit lang wurde, holten sie sich Nutten hinzu. In der Stadt hängen noch Bilder vom letzten kleinen Ausbruch im August 2006. Auf dem Weg zum Aufstieg komme ich an einer Auslage vorbei, in der die Figur einer barbusigen schwarze Bronzeschönheit neben der heiligen Jungfrau steht.

Der Weg zu "Las Antenas" führt vorbei an Eukalyptusbäumen, vereinzelten Kühen, Eseln, Pferden, Mulis, Behausungen, die "Ranchos" heißen und zwei azurrblauen Vögeln. Für den 7,5 km-Aufstieg sind 2 1/2 Stunden vorgesehen. Mir ist nach etwas Sport, 1 1/2h später laufe ich die letzte Serpentine hoch. Denke ich. Zwar sind hier Sendeantennen, doch weit und breit kein Vulkan. Nur Wolken und hinter dem Hügel ein neuer Hügel. Vielleicht ist im Reiseführer mit Aussichtspunkt dieser Hügel gemeint. Vielleicht sind auch die Ecuadorianer gut zu Fuß, und ich muss wirklich noch eine Stunde laufen. Erstmal geht es dreißig Minuten bergab. Knapp unter den Wolken kreist ein Adler. Dass nur ich hier wandernd unterwegs bin, muss ich gar nicht erwähnen. Nach 2 1/2h habe ich mir eine fiese Blase in den Fußballen gelaufen. Ich öffne sie mit meinem Hotelschlüssel. Nach 3h taucht ein neuer Hügel auf, sicher noch eine weitere Stunde weg. Die Aussicht, die sich dann endlich im Dunst auftut, besteht nur aus Tälern und mittelprächtigen Bergen. Kläffende Köter verteidigen verstreute Rindviecher.

Während des Abstiegs verziehen sich einige Wolken. Mir gegenüber, am Rande des Tals, in dem Banos liegt, tut sich ein mächtiger Berg auf. Den Gipfel des Tungurahua, der weiter von Dunst umgeben ist, schaue ich mir später im Internet an.

Nackt stehe ich im Bad, um zu duschen. Es klopft. Notdürftig ziehe ich mir etwas über und öffne. Vor der Tür meines Hotelzimmers hat sich die gesamte Belegschaft von "Laundry Nicole" aufgereiht. Ich hätte gerade beim Abholen meiner Wäsche zuwenig entrichtet, meinen sie. $1,50 für die Tüte Kleidung, die sie nur getrocknet hätten, gingen ab. Ich zahle und dusche, bevor ich mich trockne.


Ein Affe.


Kleingewerbe.