Dienstag, 26. August 2008

Nach Guayaquil

Gestern schlenderte ich nach dem Mittagessen auf der Hauptstraße zu der Garage, von der die Busse abfahren. Ein Herr scheint bereits auf mich zu warten. Er sagt etwas, das ich nicht verstehe. Komischerweise kommt das Wort "Telefono" darin vor. Ich deute auf den Bus nach Guayaquil, versichere ihm, ich hätte bereits ein Ticket, und deute an, meinen Rucksack ins Gepäckfach zu legen. Doch er gibt keine Ruhe, wiederholt "Telefono" und ergänzt "Venga!" ("Komm!"). Ich folge ihm zum Schalter. Er reicht mir den Hörer durch die Scheibe. Es ist Maru, mein "Host" (wie man bei Couchsurfng sagt) in Guayaquil. Sie arbeitet in einem Reisebüro, so hat sie die Nummer der Bushaltestelle ermittelt und teilt mir mit, sie könne mich nun doch vom Terminal Terrestre Guayaquil abholen. Soviel zu meiner Behauptung, ich sei hier telefonisch nicht zu erreichen. Eigentlich hatte ich die 3Mio.-Metropole (größte Stadt Ecuadors) auslassen wollen, aber ich hatte so viele nette Einladungen bekommen, dass ich es mir anders überlegt habe.

Auf der Fahrt durch die nebligen Andenschluchten steigen immer wieder Schulkinder ein und aus. Irgendwo in besonders dichtem Nebel, wo die Piste
noch kurviger und schlammiger ist als sonstwo, bleibt der Bus neunzig Minuten lang stehen. Straßenbauarbeiten, wie sich herausstellt. Dafür gibt´s danach eine mir neue Spezialität aus Banane: Pfannkuchen aus Bananenteig, gefüllt mit Käse.

Die Berge sind passiert, die Urwaldvegetation geht
über in einzelne Palmen, Riesenfarne, sowie ungezählte Plantagen der Geschmacksrichtungen Banane, Mais, Ananas und Reis. Wildromantische Baumhäuser und Kleingärten, Rostbuden mit Dächern aus Palmblättern, dazwischen staubige, pulsierende Städte mit morbidem Charme. Im Vorbeifahren lerne ich, dass Fleischpflanzerl/Frikadellen/Bulletten hier "Rambo" heißen. Ein großes Segelflugzeug gleitet haarscharf über eines der endlosen Bananenfelder. Aus den Lautsprechern dringen Rumbaklänge. Es swingt.

Hinter dem Ort Duran geht´s
über den zweigeteilten, kilometerbreiten Fluss Guaya nach Guayaquil rüber. Der Busbahnhof ist brandneu und, ähnlich wie der Berliner Hauptbahnhof, Teil einer überdimensionierten Shopping-Mall. Statt fünf Grad hat es hier abends gepflegte dreißig. Maru (31) holt mich mit ihren Freunden Jorge und Juan im Auto ab. Sie wohnt einige Kilometer nördlich. Die Unterkunft ist Couchsurfing pur: Der Eingang der zweistöckigen Wohnung dient als Küche, Wohnzimmer und Nähstube. Maru wohnt hier mit Eltern, jüngerem Bruder und jüngerer Schwester, deren Mann und Tochter. Es erklingen feierliche Tangomelodien, die auch aus einem Filmklassiker stammen könnten. Ich werde in ein zwar unverschließbares (hier ist die Tür zweifelsfrei zu klein für den Rahmen), fensterloses, aber immerhin eigenes Zimmer einquartiert.

Abends speisen Maru, Juan, Jorge, die 31j
ährige Oma Mari (Verhütung wird hier scheints nur sporadisch betrieben) und ich inmitten einer staubigen Verkehrsinsel im Freiluftlokal "Dolarazo" mit Grill und Plastiktischen. Es gibt Schweinernes mit Reis für den Kampfpreis von $1.25. Danach geht´s in die laute Latinobar "La Cabanita" in der Innenstadt. Weitere Leute kommen hinzu, deren Namen ich nicht verstehe. Einer versucht, mich mit seinen Deutschkenntnissen zu beeindrucken: "Fußball", "Auf Wiedersehen", "Heil Hitler". Es gibt brasilianisches Bier der indisch klingenden Marke "Brahma". Wir bringen Juan zum Busbahnhof, der in der Nacht noch irgendwo hinreisen muss. Für mich schließt sich ein kleiner Kreis. Zum zwanzigsten Mal wird ein Gruppenfoto gemacht. Ich schließe die Augen.