Donnerstag, 4. September 2008

Cotopaxi

Gestern lauerten mir vor dem Busbahnhof bereits einige schlechtgekleidete Herren auf. Sie wollten mich nach Banos, Guayaquil und sonstwo bringen. Dabei wollte ich nur ein paar Kilometer nach Süden die Panamericana runter. Der schmutzrote Bahnhof sieht aus wie ein heruntergewirtschaftes, mehrstöckiges Parkhaus mit ranzigen Imbisswaben, Plunderbuden und notdürftig verrammelten Kartenschaltern. Ich hole mir ein Ticket für drei Dollar nochwas.

Beim Einsteigen lese
ich dem Busbegleiter die Übersetzung meines Wunsches vor, an der Abzweigung zum Cotopaxi-Nationalpark auszusteigen. Eine Frau betritt den Bus und hält einen leidenschaftlichen Spendenaufruf für irgendeine Sache. Beim ersten Stopp laufen ganze Kolonien hellblau bekittelter Verkäufer durch das Gefährt: Es gibt Chips, Nüsschen, Feigen, kandierte Früchte, Fleischspieße und eine Zahnbürstenvorführung. In wackligen Bildern flimmert eine einheimische Kochsendung über den Bildschirm. Sie bereiten paniertes Schweineschnitzel und Gemüse zu. Zwischendurch sieht man in Großaufnahme, welche Konserven und welches Bratenfett die üppig dekolletierte Köchin verwendet. Statt durch Natur führt die 1 1/2-stündige Fahrt durch weitläufige Siedlungen und improvisierte Industrieanlagen.

Dort, wo mich der Fahrer rausl
ässt, steht tätsächlich der Wegweiser zu meiner Herberge. Vorbei an Schilf, Azaleen, schwarz-weißen Kühen und gemütlichen Lamas erreiche ich nach fünfzehn Minuten das Hotel "Cuella La Luna". Live sieht die Hazienda sogar besser aus als im Netz: dunkle Holzbalken und -dielen, Wände im warmen Farben, Holzofen und geschmackvolle Steinelemente.

Leider liegt das Luna etwas ung
ünstig hinter einem kleinen Nadelwald. Daher steige ich nachmittags durch blühende Heidelandschaften einen Hügel hoch, um den angeblich höchsten aktiven Vulkan der Erde, den Cotopaxi, zu sehen. Ich erblicke die dunklen Wolken, die an ihm hängengeblieben sind. An einem Vulkan, der aussieht, als würde er Regen ausstoßen. Als ich zum Hotel zurückkomme, lassen vier kleine Jungs mit großer Begeisterung Luft aus den Reifen eines Anhängers. Ein noch kleineres Mädel bewirft die vier mit Ziegelsteinen.

Im Luna sind busweise Franzosen untergebracht. Natur
gemäß treten sie in Rudeln auf, haben ein dolmetschendes Leittier, fabulieren in klangvoller Sprache und grüßen jeden mit "Bonjour". Näher unterhalte ich mich nur mit einem Engländer, der ab Mitternacht den Cotopaxi besteigen will, und einem jungen Paar aus dem Ziel aller Trecks nach Westen: Oregon. Ich habe einen Dorm, also Mehrbettzimmer, gebucht. Tatsächlich schlafe ich alleine in der großen Dachkammer.


Vulkansee nahe Cotopaxi.


Wunderschöne Grasaussicht in der Ästethik gealterter Postkarten.