Samstag, 23. August 2008

Whale watching

Außer der Strandpromenade ist das Fischerdorf Puerto Lopez ein einziger bröselnder Schrotthaufen. An der Promenade streunen Hunde an Strandbars aus Brettern entlang. Vorbei an vollbusigen Schaufensterpuppen in schicken Einteilern, um sie herum wirbeln kundenlose, dreirädrige Taxis Staub auf. Ein Mann ruft inbrünstig "Cameron" ("Garnelen") durch die Straße. "Fish y cameron". Am Lenker seines Fahrrads baumelt ein alter Eimer. Die Häuser sind blanke Ziegel, bei manchen Restaurants hat man immerhin die Fassade verputzt bis gestrichen. Kubanische Töne unterstreichen den morbiden Charme. Eine Walagentur in Gestalt eines rot angepinselten Bretterverschlags nennt sich "Wiston Churchill"; an jedem Block haucht mir ein Typ "Whale watching" ins Ohr. Bevor´s jedoch soweit ist, besuche ich noch die Fischer. Ihre Flotte von fünf Dutzend ehemals weißen, blauen, grünen Booten schaukelt vor dem Markt, wo der Fang bereits auf dem Grill liegt. Was in Riobamba das Schweinefrühstück ist, ist hier gebratener Barsch mit Reis und Banane. Ein Mann sammelt kleine zuckende Hammerhaie ein, um sie, wie ich später erfahre, dem Meer zurückzugeben.

Wlady hatte mir die Agentur "Machachilla Tours" empfohlen, weil die das beste Boot h
ätten. Ich versammle mich mit einem Neuseeländer, einem Franzosen und einem Schweizer. Bis es aufs Meer geht, werden jedoch noch bei drei anderen Anbietern Walinteressierte aufgelesen. Am Strand helfen Pelikane den Fischern bei der Arbeit, sie schlucken linealgroße Meeresbewohner im ganzen. Elf Leute und ich tauschen Schuhe gegen Schwimmwesten, und es geht mit Karacho auf die aufgebrachte See. Draußen kreist ein Taubengeschwader über verspäteten Fischerbooten.

Der Wahlobservationspunkt liegt vierzig Kilometer westlich, vor der Isla de la Plata ("Silberinsel"). Nach zehn Minuten taucht tats
ächlich ein Paar Buckelwale auf. Sie kommen aus der Antarktis hierher zur Paarung. Dieses Paar scheint unter Wasser einiges zu besprechen zu haben. Wie das klingt, kann man auf einer CD von Zweitausendeins nachhören. Als wir die Schuhe wieder anhaben, betritt die nächste Ladung Boatspeople die 5x2 km große Insel.

Sogleich lernen wir den "Bluefeetbooby" kennen, einen braun-wei
ßen Vogel mit türkisen Füßen, der bereitwillig für uns Touris posiert. Eine morgensternartige Frucht, die hier überall wächst, dient als Schwamm, wenn man die Schale abpellt. Überall tauchen neue Türkisfüßler auf. Raubvögel mittlerer Größe sehen sich die Sache von oben an. Wir erreichen malerische Kreidefelsen, wie man sie sonst nur sonntagabends im ZDF sieht. Die Farbe hat der Insel den Namen "Plata" ("Silber"), verliehen. Allerdings trägt auch der dunkle Vogelkot zur Farbgebung bei. Fregattenvögel machen Flugshows. Am elegantesten können es aber die Albatrosse. Geier sind für die evolutionäre Auslese der Brut der anderen Vögel zuständig. Unten an den Klippen haben die Boobies auf einmal grüne Füße. Unter manchem liegt ein zittriges Junges, einige bereits beflaumt. Die Eltern markieren die Brutstätten mit weißem Kot.

Vom Boot aus schnorcheln wir in einer der Kreidebuchten. Wir sehen Barracuda-, Trompeten-, Clownfische, Seeigel, Bunt- und gemeine Barsche.

Dann der zweite Versuch mit den Walen. Walbeobachtung funktioniert folgenderma
ßen: Man sieht eine Fontäne, eine Schwanz- oder Rückenflosse. Das Boot heizt darauf zu. Die Wale versinken im Meer. Minuten später tauchen sie irgendwo anders wieder auf. Usw. Doch auf einmal hören wir ein großes Exemplar zwanzig Meter neben uns aufschnaufen. Drei Kollegen springen sogar aus dem Wasser. Einer davon gar rückwärts.

In Puerto Lopez wartet eine Horde Kinder am Ufer auf uns.
Wenn ich sie recht verstehe, wollen sie unsere Füße waschen.

Abends esse ich tollen marinierten Fisch im Restaurant "Spandylus". Zwei T
ürsteher bewachen einen komplett leeren Club. Das ganze Nachleben spielt sich um das Lagerfeuer am Strand vor einer Strandbar ab. Die anderen sind bewirtschaftet, aber unbesucht. Einheimische Vorturner führen eine Polonäse ums Feuer an. Ich treffe den Schweizer Thierry wieder. Er reist schon seit einem halben Jahr durch Südamerika. Seinen Kulturpessimismus über Diebstahl und Betrug in lateinamerikanischen Ländern mag ich allerdings nicht ganz teilen. Schließlich schenkt mir Ecuador jeden Tag Geschichten wie diese.


Hammerhai.


Schnorcheln vor der Silberinsel.