Freitag, 5. September 2008

Quito II

Das Zentrum der Altstadt Quitos muss sich erst nach 2000 so entwickelt haben, wie es sich heute präsentiert: sauber und aufgeräumt mit Prachtbauten aus Kolonialzeit und Klassizismus. Das Ganze in frischen Pastelltönen der Farben orange, mintgrün, türkis, rosa und ocker. Für Bauchhändler und Gesinde ist dagegen kein Platz mehr. Ein Überangebot an opulenten Kirchen, Boulevards, Gassen und Hinterhöfen lässt die Athmosphäre erahnen, wenn es mal nicht, wie gerade, regnet.

Ich beschließe, die erste Telefonnummer anzurufen, die ich von lokalen Couchsurfern habe. Isabel bestellt mich in das überschicke Einkaufszentrum "Centro Commercial Del Bosque" in der Neustadt und holt mich mit einem bronzebraunen Straßenkreuzer der Marke Benz ab. Sie, 28, Fotografin, wohnt mit Eltern und zwei Brüdern in einer Wohnung, deren edelschickes Wohnzimmer mit diversen Kronleuchtern und goldverzierten, weißen Holzmöbeln einem Luxushotel gut anstehen würde. Um ins Haus zu kommen, muss man einen Wachmann passieren. Aus unerklärlichen Gründen glaubt Isabel, ich wolle bei ihr unterkommen, dabei hatte sie mir, was das betrifft, abgesagt. Sie müsse nun auch gleich arbeiten. Immerhin bekomme ich von ihr noch den Tipp, den Bus die Hänge hoch zu nehmen und mit der Seilbahn auf einen der Stadtberge zu fahren.

Je weiter der Bus den Hang hochkurvt, umso mehr lösen provisorische Ziegelsteinbauten schicke, bunte Wohnblocks ab. Ein Assistent sammelt von den Passagieren Vierteldollarmünzen ein. An der Endstation muten Staub, fehlende Dächer, streunende Hunde und hundehüttenartige Behausungen nach Slum an. Dafür stehen Hühnchenbratereien und Internetcafes Tür an Tür. Von einer Seilbahn ist dagegen nichts zu sehen. In der Gasse daneben fährt ein anderer Bus bis zur Siedlungsgrenze hoch. Auch hier gibt es definitiv keine Seilbahn. Die Aussicht ist dennoch
hübsch: ein Siedlungsmosaik, das sich ungleichmäßig dicht, in architektonischem Stilmix, über Senken und Hügel ausbreitet.

Der Bus bringt mich etliche Kilometer weiter nördlich nach unten. Die Sonne scheint inzwischen, und süßliche ecuadorianische Musik dringt aus dem Lautsprecher. Unten liefen u.a. "Life Is Life" (Opus, 2x), "Brother Louie" (Modern Talking), sowie Boney M. -- von Boney M. selbst oder Cover-Interpreten. Der Weg durch die Behausungen fühlt sich malerisch an.
Überhaupt gefällt mir Quito in seiner quirligen Vielfalt immer besser.Die Fahrt endet für mich auf einer Straße, wo im nordamerikanischen Stil ein gelecktes Fast-Food-Lokal auf das nächste folgt. Mit dem "Trole" (Trolley)-Bus, einer Art Schnelllinie, bin ich in dreißig Minuten längs durch Quito wieder in der Altstadt.

Ich laufe durch eine Mischung aus Parkhaus und Einkaufzentrum, in dem Händler in ihren Buden fast ausschließlich Handys verkaufen. Da man in Ecuador an jeder Straßenecke Telefonkabinen findet, beschließe ich, meinen technischen Engpass durch zwei dekadente Kodak-Einmalkameras auszugleichen. Die "Placa de la Indepencia" (auch "Placa Grande") mit ihren Regierungs- und Kirchenpalästen erstrahlt bei Sonne in opulentem Weiß und dem Lila der Blüten großer Sträucher. Allmählich ahne ich, warum Quito "Stadt des ewigen Frühlings" genannt wird. Dafür fehlt es an gastronomischer Kultur: Die Cafes sind meist Löcher in Steinmauern mit Campingtischen neben einer Tiefkühlbox. Wo über Rio de Janeiro ein Jesus thront, wacht über Quito seine Mutter bzw. die heilige Jungfrau, die hier irgendwie Ecuadors Unabhängigkeit symbolisieren soll. Am Rand der Altstadt schaukeln uralte Boote mit fröhlichen Menschen an Bord in einer mit Wasser gefüllten Betonrinne von den Hügeln herunter. Eines sähe aus wie komplett aus Styropor, hätte es nicht außen zwei Eisenkurbeln zum Treten.

Abends lasse ich mir für zwei Dollar die Haare schneiden. Dazu reichen zwei Wörter Spanisch bzw. deren Kombination: "cortos" (kurz) und "no" (nicht). Interessanterweise wäscht mir die Friseuse die Haare, nachdem sie sie geschnitten hat. Dabei hätte das Waschen nur das Schneiden verbessern sollen. Nachts sind die Straßen in ein warmes hellgelbes Licht getaucht, vereinzelte Bordsteinschwalben blinzeln daraus den Passanten zu. Für mich endet der Tag mit einheimischem Club-Bier.


Kolonialstil in der Fußgängerzone.




2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hasta ma pasta retour. Wollte mit diesem kryptischen Eintrag nur mitteilen, dass dein Blog auch gelesen wird. Die Kommentartaste ist allerdings nicht leicht zu finden. 6000 Meter? Das wären in Euro umgerechnet ... Kriegt man da Luft?
Gruß
Achim

Reise-Blog von Michael Höfler hat gesagt…

hallo achim,

ich hoffe ja schwer, dass der eine oder die andere mitliest (einige haben´s versprochen). die hoehe spuert man wirklich, schon ab 3000. aber ich denke, so lange man die zeichen des koerpers (schwindel, uebelkeit, kopfweh) beachtet, wird man nicht richtig hoehenkrank.

viele gruesse,
michael